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„Wir befinden uns in einem neuen Kalten Krieg“

Posted by Frank on 3. März 2015 in Politik, Russland, Zeitgeschichte |

EU-Politiker Elmar Brok wähnt Russland auf dem Weg in die Diktatur. Da trifft es sich gut, dass Präsident Putin die Ermittlungen im Mord am Kreml-Kritiker Nemzow gleich selber leitet. Von Christoph B. Schiltz, Brüssel

<br /> In Moskau wird des ermordeten Kreml-Kritikers Boris Nemzow gedacht. Sein Tod hat in Russland Trauer und Entsetzen ausgelöst<br />

Drei Tage nach dem Mord an dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow in Moskau hat der russische Außenminister Sergej Lawrow die Tat als „abscheuliches Verbrechen“ verurteilt. Laut Lawrow werden die Ermittlungen von Russlands Präsident Wladimir Putin (Link: http://www.welt.de/themen/wladimir-putin/) persönlich geleitet. Der russische Chefdiplomat verbat sich jede Einmischung von außen. Es sei „jämmerlich“, das Attentat für „politische Zwecke zu nutzen“.

Der einflussreiche Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), zeigte sich pessimistisch mit Blick auf die Ermittlungen. Der leitende Ermittlungsbeamte im Fall Nemzow (Link: http://www.welt.de/themen/boris-nemzow/) , General Igor Krasnow, sei ein Studienfreund Putins: „Das dürfte für eine echte Aufklärung sicherlich nicht förderlich sein“, sagte der EU-Parlamentarier der „Welt“.

US-Außenminister John Kerry forderte eine „gründliche und transparente“ Untersuchung des Verbrechens. Auch die Regierung in Paris dringt auf Aufklärung. Nemzow war in der Nacht zum Samstag auf einer Brücke in unmittelbarer Nähe zum Kreml von einem Unbekannten erschossen worden. Der 55 Jahre alte Politiker war eine Galionsfigur der russischen Opposition. Sie vermutet, dass der Mord im Zusammenhang mit Nemzows Kritik an Präsident Putin steht.

Wenige Stunden vor seinem Tod hatte Nemzow in einem Interview mit dem regierungskritischen Sender Echo Moskwy gesagt: „Die Krise wurzelt hauptsächlich darin, dass Putin eine wahnsinnig aggressive, für unser Land und viele Bürger todbringende Politik eines Krieges gegen die Ukraine begonnen hat. Die Präsenz russischer Truppen dort ist mit Dokumenten belegt.“

Möglicherweise musste Nemzow sein Wissen mit seinem Leben bezahlen. „Er hatte offenbar Beweise für militärische Aktivitäten Russlands im Krieg in der Ukraine“, sagte Brok, der Russland häufig besucht und Nemzow seit Jahren kannte. „Er hatte keine Angst, aber ihm war bewusst, dass er gefährdet ist. Er hat das Risiko bewusst auf sich genommen. Er hat trotz ständiger Einschüchterungen und Bedrohungen gekämpft und versucht, den Funken von Freiheit und Demokratie in Russland aufrechtzuerhalten.“

Nach Angaben Broks wurde die Oppositionsbewegung durch den Tod Nemzows „geschwächt“. Brok sagte weiter: „Das System Putin, das auch auf Einschüchterung, Bedrohung und Ermordung von Andersdenkenden beruht, ist für den Tod Nemzows verantwortlich.“ Bei der Ermordung von Oppositionellen finde man nie Verantwortliche. „Es werden immer nur Verschwörungstheorien geäußert, die ausländische Mächte für den Mord verantwortlich machen, um die eigentlich Verantwortlichen zu decken.“

Drei Millionen Rubel Belohnung ausgesetzt

Offiziell verfolgen die Ermittlungsbehörden verschiedene Spuren (Link: http://www.welt.de/137962467) . Für Hinweise auf die Täter wurde eine Belohnung von drei Millionen Rubel (knapp 43.000 Euro) ausgesetzt – der monatliche Durchschnittslohn in Russland liegt bei 60.000 Rubel (864 Euro). Behördensprecher Wladimir Markin sagte, man gehe von einem politischen Auftragsmord aus, um die innenpolitische Lage in Russland zu destabilisieren.

Die Fahnder halten es aber auch für möglich, dass außer Kontrolle geratene Kräfte in der Ukraine, die Russland schaden wollen, oder sogar islamistisch-extremistische Kräfte für den Mord an Putins Gegner verantwortlich sind. Markin betonte, es würden aber auch die geschäftlichen Kontakte des ehemaligen Vizeregierungschefs unter Präsident Jelzin untersucht.

Brok kritisierte die Kreml-Führung scharf: „Hätte Putin eine demokratische und pluralistische Gesellschaft in Russland zugelassen, hätte es den Mord an Nemzow nicht gegeben. Jeder, der sich kritisch zu Putin äußert, ist ein Vaterlandsverräter.“ Das schaffe eine Atmosphäre, in der jede Kritik am Kreml zur Bedrohung für das eigene Leben werden kann. „Seit der Wiederwahl Putins zum Staatspräsidenten vor drei Jahren werden die Kämpfer für Freiheit und Rechtsstaat in Russland immer stärker systematisch zurückgedrängt.“

Eine Zeugin des Mordes, die ukrainische Lebensgefährtin Nemzows, wird nach eigenen Angaben gegen ihren Willen in Moskau festgehalten. „Die Ermittler befragen mich, und keiner sagt mir, wann ich freigelassen werde“, sagte die 23-jährige Anna Duriskaja. (Link: http://www.welt.de/137987432) Ihre Mutter Inna Duriskaja appellierte an den ukrainischen Präsidenten, sich für die Rückkehr ihrer Tochter einzusetzen: „Sie ist unschuldig.“

Laut Brok wird die Machtkonzentration in Russland immer größer. „Russland ist jetzt auch auf dem Weg zur Diktatur.“ Der Westen müsse nun zeigen, dass seine Werte erfolgreicher sind als „die Autokratie in Russland“. Brok: „Wir befinden uns heute wieder in einem ideologischen Kampf mit Russland, in einem neuen Kalten Krieg. Russland ist eine aggressive Macht, die militärisch tätig wird und gleichzeitig versucht, im Westen Einfluss zu nehmen. Was früher der Kommunismus war, ist heute ein sakral angehauchter Nationalismus, der nichts mit demokratischen Werten zu tun hat.“

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